Jugend entscheidet im Bamberger Rathaus
Es riecht nach Brezeln im Ratssaal der Stadt Bamberg. Der Raum ist vollständig besetzt, einige Zuschauer finden keinen Platz und lehnen an den Fensterbänken. Ein Grund mehr für Ayleen Zebunke, heute nervös zu sein. Gleich wird die siebzehnjährige Schülerin einen Antrag in den Stadtrat einbringen.
Dass sich heute unter den Kronleuchtern des Saales so ungewohnt viele Zuschauer eingefunden haben, freut das Team von Jugend entscheidet. Die Sitzung hat knapp 20 Tagesordnungspunkte, Radio und Fernsehen sind da, es werden wichtige Themen verhandelt. Der Antrag von Ayleen und den anderen Jugendlichen der Stadt ist trotzdem gleich als zweiter Tagesordnungspunkt dran.
Im Oktober 2022 kamen knapp 70 Jugendliche im Jugendzentrum der Stadt Bamberg zusammen: Zwei Tage lang erarbeiteten sie gemeinsam Themen, die ihnen wichtig sind. Unterstützt vom Verein Politik zum Anfassen e.V. und begleitet von Politikerinnen und Politikern aller Fraktionen entstanden dabei zehn konkrete Ideen: Von Sitzgelegenheiten in der Innenstadt, der Verbesserung des Busverkehrs nach Schulschluss bis zur Beendigung der Bewirtung der Unteren Brücke und eben der besseren Ausstattung mit Fußballtoren. Die anwesenden Erwachsenen zeigten sich von der Vielfalt und den guten Ideen überrascht. Der zweite Bürgermeister Jonas Glüsenkamp moderierte souverän durch eine simulierte Sitzung des Stadtrats, in der die Jugendlichen die Rolle der Abgeordneten einnahmen. Fraktionen waren an diesem Tag den Projektideen zugeordnet, die von den Jugendlichen erdacht wurden. Jeder Antrag wurde eingebracht und diskutiert. Am Ende kam es zur Abstimmung. Acht Anträge erhielten eine Mehrheit.
„Wir wollen darüber entscheiden, wie es an dem Ort ist, an dem wir leben“ sagte einer der Jugendlichen.
Sebastian Wehner, Jugendpfleger der Stadt, nahm die Anträge mit in die Stadtverwaltung – es war sein Auftrag, mindestens einen davon zur Umsetzung vorzubereiten. Über mehrere Monate wurde in der Verwaltung geprüft, mit den verschiedenen Abteilungen gesprochen und immer wieder mit den Jugendlichen Rücksprache gehalten. Am Ende fiel die Wahl auf ein Projekt: Die Erneuerung und Ausstattung mit Fußballtoren. In der Ratssitzung heute wird der gemeinsam erarbeitete Antrag nun eingebracht.
Aus den Boxen kommt das leise Fiepsen einer Rückkopplung als Ayleen an das Mikrophon tritt. Noch spricht Oberbürgermeister Andreas Starke: Applaus sei im Rat nicht erlaubt, schmunzelt er. Entgegen den üblichen Gepflogenheiten gestatten sich Ratsmitgliederinnen und Ratsmitglieder gemeinsam mit dem Publikum, den Film über die Thementage mit großem Beifall zu kommentieren. Dann bekommt Ayleen das Wort.
„Weil wir die Zukunft sind“ sagt sie, “können und wollen Jugendliche in Bamberg mitbestimmen.” Sie präsentiert mit leicht stockender Stimme, jedoch souverän, wo genau die neuen Fußballtore stehen sollen und berichtet von ihren bisherigen Erfahrungen bei Jugend entscheidet. Schließlich bittet sie die –Stadtratsmitglieder um Zustimmung zu ihrem Antrag. Endlich sollen die Bolzplätze der Stadt mit neuen Fußballtoren ausgestattet werden. Zudem wurde bereits im Vorfeld im zuständigen Ausschuss ein weiteres Beteiligungsformat beschlossen: Es wird in den kommenden Monaten eine große „Jugendkonferenz“ veranstaltet.
Der zweite Bürgermeister Jonas Glüsenkamp fragt in die Runde, ob es Wortmeldungen gibt. In jeder der Fraktionen des Stadtrats geht eine Hand hoch. Keiner mag es sich nehmen lassen, auszudrücken, wie wichtig ihnen das Thema Jugendbeteiligung ist. Der Mut, das Engagement und die konkrete Arbeit der Jugendlichen werden gelobt. Einstimmig nimmt der Rat den Antrag an. Mit ihrem Ratsbeschluss zeigen die Kommunalpolitikerinnen und -politiker, dass sie die jungen Menschen ernst nehmen, ihnen etwas zutrauen. Gerade der direkte Kontakt von Jugendlichen und Politik hat Demokratie heute erlebbar gemacht.
Autor: Julius Oblong (Projektleiter Jugend entscheidet)